Viele Menschen im Viertel waren im Sommer mehr als verwundert über das plötzliche Engagement der Stadt, das auf einmal rund um den Jamnitzer Platz an den Tag gelegt wurde. Jahrelang hatten die Verantwortlichen den Platz nicht einmal instand gehalten, den Brunnen still gelegt und sogar Sitzmöglichkeiten und grün entfernt. Einzig polizei- und sicherheitstaktische Überlegungen haben bei den bisherigen Umbaumaßnahmen eine Rolle gespielt. Die Polizei will die rebellischen und manchmal auch lauten Jugendlichen kontrollieren und überwachen – letztendlich vertreiben. In eine – für uns NutzerInnen nicht weniger schlechte Richtung – geht das Interesse einiger umliegender HauseigentümerInnen und InvestorInnen: der Platz soll ein attraktiver Bettvorleger für die schicken Lofts, Stadthäuschen und die ein oder andere Ferienwohnung werden. Der Platz soll aufgewertet werden. So erklärt sich dann auch besser, warum die SPD regierte Stadt Nürnberg im vergangenen Sommer mit großen Trara die Notwendigkeit des Umbaus propagierte.
Keine Entscheidungen über unsere Köpfe hinweg!
Die anschließende „Bürgerbeteiligung“ zeigte auch schnell wohin die Reise geht: Zum einen ist es völlig intransparent, wie am Schluss entschieden wird, welche Vorschläge umgesetzt werden und welche nicht. Wird tatsächlich meist Genanntes umgesetzt oder entscheidet der Stadtrat wie bisher am Schluss doch im Sinne einer investorenfreundlichen Aufwertungspolitik? Zudem lag der Fokus bisher keinesfalls auf den tatsächlichen NutzerInnen und ihren Bedürfnissen. Der Schwerpunkt war ausschließend weil Mittelschichts-orientiert: lediglich deutsch-sprachiges Material, eine online-Befragung und eine Versammlung mit Workshop-Charakter – auch nur auf deutsch – waren die Mittel. Wer den Platz selbst nutzt, weiß, dass man den überwiegenden Teil der tatsächlichen NutzerInnen so nicht erreichen kann – wenn man es denn überhaupt will. Man muss hingehen und mit den Menschen reden – am besten mit ein paar Übersetzungen in der Tasche. Die Initiative Mietenwahnsinn stoppen machte genau das. Wir haben in einem ersten Schritt erfragt, was den anderen NutzerInnen wichtig ist. Anschließen haben wir eine Erklärung verfasst. Unter der Überschrift: Nutzerfreundlich statt Investorenfreundlich wurden auch konkrete Forderungen wie die nach einer öffentlichen Toilette, einen Grillplatz, die Instandsetzung des Brunnens, einer Sprayer-Wand, mehr Sitzmöglichkeiten, ein Ende der Verbotspolitik und der schikanösen Polizeikontrollen zusammengefasst. Vor allem ging es in der Erklärung darum, den Platz – wenn schon – dann so umzugestalten, wie es gut für uns NutzerInnen ist und nicht für einen Teil der umliegenden EigentümerInnen und InvestorInnen, die den lebendigen und ja auch lauten Platz lediglich als Hemmnis für höhere Gewinne sehen. Über 300 NutzerInnen unterschrieben über den späten Herbst hinweg die Erklärung und nun wollen wir sie auch der Stadt Nürnberg überreichen.
Die Stadt schönt ihre Zahlen um die Aufwertung zu legitimieren!
Denn der Zwischenbericht der von CSU-Stadtrat Max König begleiteten Jamnitzer-Planung lässt nichts gutes erahnen. Die Stadt Nürnberg rühmt sich mit der hohen Beteiligungsrate und lässt dabei zum einen unter den Tisch fallen, dass 1. bei der Begehung am Platz und der anschließenden Veranstaltung fast mehrheitlich GegnerInnen einer solchen Art der Umgestaltung waren und der pseudo-Beteiligung mehr als kritisch gegenüber standen. 2. Dass die online-Aktion ein ziemlicher Flop war. Zwar besuchten mehrere Menschen die Seite, Kommentare und Bewertungen lassen aber auf höchstens 180 Menschen schließen, die sich tatsächlich beteiligt haben. Die Stadt schönt hier die Zahlen, in dem sie die Zahl der Website-BesucherInnen insgesamt veröffentlicht. Darüber hinaus schönt sie die Zahlen, indem sie jede Nennung einzeln zählt. Wenn also eine Person bei der Veranstaltung im Nachbarschaftshaus 10 Striche auf Kärtchen gemacht hat und online zwei Kommentare hinterlassen hat, spricht die Stadt von 12 Nennungen. Faktisch wurde jedoch nur eine Person erreicht. Ob diese den Platz überhaupt nutzt, ist hierbei eh völlig unklar.
Gostenhof ist keine Marke – kein Geschäft mit unserem Viertel!
Wenn in einem Viertel Aufwertung, Gentrifizierung und Verdrängung an der Tagesordnung sind, kann eine Platzumgestaltung genauso wenig isoliert betrachtet werden wie Marketingkampagnen der Nürnberger Nachrichten. Es geht nicht einfach nur um einen schöneren Platz oder darum anderen zu zeigen, wie schön unser Viertel ist. Nein, all das macht unser Viertel besser vermarktbar und rentabler. Menschen mit wenig Einkommen werden dann als erstes verdrängt und finanzstärkere MieterInnen dürfen sich dann über den aufgehübschten Platz freuen. Es geht um einen Austausch der BewohnerInnen und somit auch der Platz-NutzerInnen. Aber nicht mit uns – wir wehren uns gemeinsam. Unser Viertel zeichnet sich durch das Miteinander aus, dass man sich umeinander kümmert, solidarisch und offen ist und sich gegenseitig akzeptiert. Hier leben auch viele Menschen mit geringerem Einkommen in noch bezahlbaren Wohnungen und wir nutzen gemeinsam unsere Plätze; Gostenhof ist nach wie vor laut, lebendig und rebellisch – und so soll es auch bleiben. Menschen allerdings, die hierher ziehen, diktieren wollen, wie es zu laufen hat und sich für die Menschen im Viertel nur insofern interessieren, wie viel Geld aus ihnen raus zu holen ist, sind hier nicht willkommen! Das selbe gilt für die Pläne der Stadt Nürnberg unter SPD-Oberbürgermeister Maly den Jamnitzer Platz betreffend, die nach wie vor im Dunklen liegen. Entscheidungen über unsere Köpfe hinweg werden wir nicht akzeptieren! Momentan ist die Planungsphase noch nicht beendet und ob sich die Bedürfnisse der NutzerInnen durchsetzten liegt auch an uns allen. Falls nicht, versprechen wir, dass wir auch in diesem Fall solidarisch sein und dem Ruf des rebellischen Viertels gerecht werden!
Wir wehren uns gemeinsam
In Nürnberg haben wir schon einiges an Bewegung in die Sache gebracht: sei es hier im Viertel im Kampf gegen Aufwertung, die vonovia-MieterInnen in der Spenglerstraße, die Besetzung eines jahrzehntelangen Leerstandes in der Südstadt oder aktuell die EigentümerInnen und MieterInnen in Neuselsbrunn, die ebenfalls dem Immobilienriesen vonovia den Kampf ansagen. Aber auch einzelne MieterInnen, die sich nicht mit jeder Erhöhung oder einer Kündigung abfinden, können den EigentümerInnen und Konzernen das schnelle Geschäft mit unserem Wohnraum ganz schön verhageln. Denn wir wissen: Von Stadt und Staat, die vorrangig die Interessen der Wirtschaft bedienen, haben wir nichts zu erwarten. Wohnraum wird im Kapitalismus als Ware gehandelt. Eine Minderheit, die eine Wohnung oder ein Haus zu vermieten oder zu verkaufen hat, versucht mit dieser Ware möglichst viel Profit zu machen. Sie profitiert davon, während wir gezwungen werden, um Wohnungen zu konkurrieren und schließlich immer mehr bezahlen sollen. Der kapitalistische Wohnungsmarkt ist ein unvernünftiges, ausschließlich an den Interessen einer Minderheit orientiertes System. Gemeinsam setzen wir uns deshalb heute gegen steigende Mieten ein und perspektivisch für die Vergesellschaftung des Wohnraums. Im Kapitalismus müssen wir um unsere Interessen als lohnabhängige MieterInnen schon selbst kämpfen.Setzen wir uns also in Bewegung, vernetzen uns weiterhin, kommen wir als NachbarInnen zusammen und sind solidarisch – egal ob es um unsere Wohnungen oder unsere Plätze geht – egal ob unser Gegner vonovia, gbw oder ein kleiner profitgieriger Eigentümer ist oder Stadt Nürnberg heißt.