Bericht vom zweiten Prozesstag gegen eine Mietaktivistin

Am Mittwoch, den 22. Mai fand der zweite Prozesstag gegen eine Mietaktivistin statt. Zur Erinnerung: sie wurde wegen des öffentlichen Aufrufs zu Straftaten angeklagt. Am selben Tag einer Demonstration gegen Mietenwahnsinn und Sozialabbau wurden damals mehrere Häuser in Nürnberg scheinbesetzt. Die AktivistInnen hatten der Abschlusskundgebung der Demo ein solidarisches Grußwort zukommen lassen. Ursprünglich wurde der Mietaktivistin vorgeworfen, sie habe im Anschluss an das Verlesens dieses Grußwortes selbst zu Besetzungen aufgerufen.

Bereits beim ersten Prozesstag hatte der leitende Ermittler und einzige akten-bekannte Zeuge – ein Staatsschutzpolizist – schon ausgesagt, sie habe doch nur gelesen. Allerdings stand der kämpferische Ton der Rednerin dann plötzlich im Mittelpunkt des Interesses von Richterin und Staatsanwaltschaft.

Auch der zweite Prozesstag begann mit fast beispielloser Lächerlichkeit. Trotz der Aussage des Staatsschützers sprach die Staatsanwältin vor offiziellen Prozessbeginn immer noch von der ursprünglichen Anklage, was sowohl der Verteidiger als auch der gut gefüllte Saal mit lautstarker Verwunderung quittierten. Die Richterin verließ daraufhin kurzzeitig den Saal und kündigte an, erst wieder zu kommen wenn es los geht. Die zwei aus den Ärmel geschüttelten Polizeizeugen taten der Staatsanwaltschaft auch keinen Gefallen. Auch sie wiederholten mehrmals, dass die Angeklagte zitiert habe. Auch der Begriff „Grußwort“ fiel immer wieder.

 

Da möchte man einmal mehr meinen, hier sei die Geschichte zu Ende. Weit gefehlt. Die Richterin will nun nachermitteln lassen und hat den Prozess ausgesetzt – dem Gegenantrag der Verteidigung zum Trotz. Warum dieser ganze Irrsinn passiert, scheint offensichtlich: die Ermittlungen gegen die ScheinbesetzerInnen waren über knapp ein halbes Jahr hinweg völlig ergebnislos und nach diesem halben Jahr gerät nun plötzlich die Angeklagte in das Fadenkreuz der Ermittlungen. Das Verlesen dieses Schreibens ist alles, was sie haben und irgendein Kopf muss ja rollen. Hausbesetzungen in Zeiten der Wohnungsnot machen den EigentümerInnen und ihren BeschützerInnen Angst. Und ungesühnt darf dieses Antasten an die heilige Kuh Privateigentum nicht bleiben. Doch auf der anderen Seite steht der öffentliche Druck, der Fakt, dass diese Öffentlichkeit realisiert, dass es keine reale Grundlage zu einer Verurteilung gibt. Ob das die bürgerliche Justiz letzten Endes interessieren wird, oder ob sie sich einmal mehr offen als Klassenjustiz zeigt, die für die handfesten Interessen des Immobilienkapitals gerne mal eine aktive Mieterin über die Klippe stößt, wird sich in diesem Fall noch zeigen.

 

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